Bei Tadschikistan müssen die meisten erstmal googeln, wo dieses Land überhaupt liegt. Das kleinste der postsowjetischen Länder nebst Turkmenistan, Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan gilt auch als das ärmste. Und obwohl in der Hauptstadt Dushanbe oder der zweitgrößten Stadt Khujand die teuersten Autos auf den breit angelegten Straßen zu sehen sind, schönste Parkanlagen in heißen Sommertagen Kühlung bieten und eine imposant kolossale Architektur befremdlich glänzt, ist die Armut, nicht nur auf dem Land, überall präsent. Zudem schäme ich mich fremd. Das Bild des Präsidenten Rahmon hängt an jedem Museum, auf jedem Markt, an jeder Straßenkreuzung … ER ist nicht zu übersehen. Ich versuche es auf meine Art und wende den Blick den Frauen zu, denen ich bei meinem FAM TRIP begegne, eingeladen von „ACTED Tajikistan“ im Rahmen des Projektes „Silk-Road CBT Initiatives: Connecting Central Asian Community-Based Tourism and European Markets“ …
Dollarwoman
Da sind zunächst die beiden Frauen, die vor der Mug Teppe Zitadelle die Teppiche schrubben. Ich staune über die Goldzähne der älteren, die sie nur verschämt lächelnd zeigt. Auf die Frage, ob, das nicht sehr teuer ist, so viel Gold im Mund, nicken sie eifrig und meinen, ja, ja, viele Dollar. Oh, you are a Dollarwoman? Ich ernte großes Gelächter, sie amüsieren sich köstlich über dieses Wort, das sie so reich erscheinen lässt und ich darf sie jetzt fotografieren, stolz lächelnd. Noch lange höre ich ihr überbordendes Lachen auf meinem Weg zurück zum Bus. Eine Dollarwoman zu sein, ist ein grandioses Gefühl. I made her day. Und auch ich war beglückt, den beiden Frauen Freude schenken zu können über ein einziges Wort. Wortreich eben.
Women Empowerment in Tadschikistan
Eine Powerfrau und landesweit bekannt – sie wird immer nur Big Sister genannt – ist Gulya, die ich bei einem Tourismus-Meeting treffe. Sie setzt sich für Gewalt gegen Frauen ein, vor allem häuslicher Gewalt, und versucht geschlagene Frauen auszubilden und ihnen Erwerbsmöglichkeiten zu verschaffen, u. a. durch die traditionelle und kostbare Handarbeit mit Baumwolle und Seide. Des weiteren hat sie ein großes Homestay gegründet, ganz im tadschikischen Stil eingerichtet und mit lokalen Gerichten. Zu gerne hätte ich das Homestay gesehen, doch leider reichte die Zeit nicht.
Dafür reichte die Zeit, um Ikromi Nigina aus Dushanbe kennenzulernen, die das Culture & Handicraft-Center Gulzar Village leitet, in dem über 100 Frauen ihre wunderschönen Produkte mit dem typisch tadschikischen Muster ausstellen können. In dieser besonderen Location hatten wir die Chance, an einem traditionellen Musik- und Tanzabend mit anschließendem Pilov-Essen teilzunehmen, zusammen mit Tadschikinnen, die sich alle für diesen Abend sehr chic gemacht haben.
Handicraft im Alltag
Chic sahen die Frauen durch ihre traditionelle Kleidung einfach immer aus, selbst bei der Landarbeit, beim Straßenfegen (ein Job nur für Frauen) oder auf dem Markt.
Ich war hingerissen von der Buntheit der Stoffe. Und musste auch shoppen gehen … die Frauenarbeit unterstützend …
Natur ist einfach alles
Eine Landschaft, meist karg und schroff wirkend durch die hohen Bergketten, mit Ziegen- und Schafherden, Wildpferden, Holperpisten, ewig langen Tunneln und einfachsten Marktstraßen … Touristisch gesehen ist Tadschikistan kein Selbstläufer – und das könnte auf Dauer ein Glücksbringer sein für Menschen, die auf Reisen anders unterwegs sein wollen. Wir waren alle fasziniert ob der gewaltigen Naturschönheiten: Berückend schöne Seenlandschaften mit Farbtönen von grün bis schwarz, fruchtbare Täler und Gebirgsketten mit einsamsten Wanderwegen, einfache Bergdörfer mit gastfreundlichsten Menschen … Berührt von der extrem unberührten Natur, der Stille und der Einfachheit überkam uns allesamt der Wunsch an manchen Orten sehr, sehr lange zu verweilen. Und rein gar nichts zu tun, außer nur an diesem Ort zu sein und zu schauen, nach außen und nach innen. Schon allein ob dieses Gefühls, dass es noch solche unberührten Orte in dieser Welt gibt, ist Tadschikistan jede Reise wert. Ein Kleinod für alle, die Ursprünglichkeit und Einfachheit lieben und reich beschenkt werden.
Drei Cay-Girls bei den Sieben Seen
Ein Highlight war die abenteuerliche Fahrt hinauf zu den sieben Seen, einer farbenprächtiger als der andere. Den letzten und allerschönsten See konnte frau nur bergsteigend erkunden oder sich mit einem Jeep eines Dorfbewohners hochfahren lassen. Nach 400m keuchend aufwärts entschied ich mich für letzteres. Oben angekommen wurde ich mit einem Panorama belohnt wie es seinesgleichen sucht. Und nur nach wenigen Minuten eilten 3 kleine Cay-Girls, die Töchter des Jeepfahrers, mit Tee, Yoghurt und frisch gebackenem Fladenbrot herbei. Decke ausgebreitet, Apfel teilen, sich anlächeln, glücklich sein. Es fehlte in diesem Moment so rein gar nichts.
Geld macht auch glücklich
Auf den bunten, turbulenten Märkten, die es in jedem Ort, in jeder Stadt zuhauf gibt, fragte ich mich immer wieder, wie frau/man von dem Verkauf leben konnte, denn überall wurden Melonen und Brot verkauft. In rauhen Mengen. Manchmal auch noch Nüsse und Gewürze, aber dann auch in rauhen Mengen. Ständelang. Und doch schienen alle Markt-Treibenden gelassen ob der Konkurrenz, hatten ihre Betten hinter den Melonenbergen aufgebaut und nahmen sich die Zeit, die es braucht, um doch noch etwas zu verkaufen. Am Ende des Tages schien es für den einen oder anderen glücklich verlaufen zu sein. Beim Zählen der vielen Somoni-Geldscheine, die nur in großen Bündeln in die Taschen gesteckt werden, war dann eindeutig zu sehen: Geld macht eben doch auch glücklich. In Somoni und in Dollar.
Evelyn von WomenFairTravel