Real Mongolia

Endlich konnte ich meinen langjährigen Traum wahr machen und die Mongolei kennen lernen. Drei Wochen durch die Zentral- und Nordmongolei zu reisen war weit mehr als nur einen Traum zu erfüllen. Diese Auszeit war eine geruhsame Annäherung an eine Mongolei mit vielen überraschenden Facetten. Ein paar möchte ich mit Euch teilen.

Real Mongolia

Wenn wir Bilder von der Mongolei im Kopf haben, dann sind es jene von dieser unendlich grüngelben Weite, die am Horizont in blaulila getönte Berge übergeht und hinter diesen Bergen ist nicht das Ende der Welt, sondern immer noch die Mongolei, gepixelt mit einsam stehenden weißen Jurten, frei galoppierenden, schönen wilden Pferden und schier unzähligen Schaf-und Ziegenherden, hellblau oder blassrosa markiert. Und natürlich zotteligen Yaks, deren tiefbraune Wolle unsere Füße kuschlig wärmen sollen. Zusammengetrieben von NomadInnen auf Mopeds und Jungs oder Mädels auf Pferden. Real Mongolia eben.
Doch welch Überraschung, so viele hohe Bergketten und einzigartige Felsformationen anzutreffen und so viel Wasser überall: Flüsse wie der über 1100 km lange Orchon, oder der Tsagaan Nuur See und vor allem den Chöwsgöl Nuur See, die Perle der Mongolei, der mit seiner 136 km Länge, 20 bis 40 km Breite und über 260 m Tiefe der zweitgrößten See der Mongolei ist und als kleine Schwester des Baikalsees gilt. Traumhaft. Die „echte“ Mongolei ist sehr viel mehr als grüngelbe Weite …

Taiga und Schamanenland

Kein Wunder, dass dieser Chöwsgöl Nuur See umgeben ist von Schamanenheiligtümern und SchamanInnen selbst. Mal in leichten Nebel getaucht, mal türkisgrün schimmernd, mal karibisch anmutend, mal mit den für die Taiga so typischen Lärchen mystisch umwaldet … Und so wurden wir selbst ganz mystisch-mysteriös … Mal saßen wir fasziniert und magisch angezogen bei der Schamanin in der Hütte, bewunderten ihren humorvollen Charme und ihre treffsicheren Kommentare zu uns en passant ebenso wie die 13 Tierfelle, die an den Wänden hingen, brausten wenige Stunden später mit einem Speedboot über den großen See, um auf einen steilen Felsen zu klettern, auf dem das Heiligtum, das Ovo flatterte und sprangen zwischendurch in Unterwäsche in das einladend grünkalte Wasser, um gleich danach wieder in die Wanderschuhe zu steigen und die hohen weißen Kalksteinfelsen zu erkunden. Und danach wartete schon unser fürsorgliche Fahrer am gedeckten Campingtisch auf einsamer Sommerwiese mit Kaffee mit frischer mongolischer Kuhmilch und mongolischem Kuchen auf seine „Cappuccino-Wanderinnen“.

In the middle of green nowhere

Eine Reifenpanne in the middle of the green nowhere bescherte uns nicht nur einen fantastischen Regenbogen nach einem 5minütigen Regenschauer, sondern auch noch das Glück an einem der schönsten und einsamsten Jurtencamps einen Tag länger bleiben zu können. Auf der Enzian-und Edelweiß -Wiese liegen und in den blauen Himmel schauen … So schön kann eine Panne enden. Und da niemand außer uns tagsüber im Camp verweilte, führte uns das freundliche Campteam gleich noch im Bogenschießen ein. Gar nicht so einfach, doch manch Naturtalent zeichnete sich ab!
Was wäre die Mongolei ohne ihre endlosen Naturpisten mit der Herausforderung für jeden Busfahrer und jede Mitreisende, die uns aber immer wieder zu vielen Fotostopps brachten und für willkommene „Pferde schauen“-Momente  – die mongolische Beschreibung für „hintern Busch müssen“.
Ein starker nächtlicher Regen sorgte dafür, dass auch unsere Straße unter Wasser war und wir zum Erstaunen der Jaks mal über ihre Wiesen fahren mussten. Sie standen Spalier und schienen fassungslos ob der Auto-Karawanserei. Wir blieben cool und freuten uns drauf, dass wir bei diesen aktuellen Straßenverhältnissen am Ende der Tour in Darchen auf den Zug umsteigen und somit die letzten 300 km auf der transsibirischen Eisenbahnstrecke genießen durften. Einem einfachen Zug mit allen Schikanen: Samowar, blitzsaubere Toiletten, ein großzügiges Abteil mit 4 Liegen, eine Schaffnerin, die nur für 2 Wagen verantwortlich war und Service hoch schrieb. Hier hätten wir noch tagelang verbringen können.

Singend durch die Mongolei

Als Überraschung am ersten Abend in Ulaanbaatar konnten wir im Theater den Wonders of Mongolian Arts – einer sehr gelungenen getanzten und gesungenen Kulturgeschichte – beiwohnen.
Unsere Reiseleiterin Tungaa sang im Bus mit ihrer wunderschönen Glocken-Stimme immer mal wieder ein mongolisches Lied. Natürlich über die Liebe und die Natur und die Natur der Liebe, ab und an begleitet von der ebenso zarten Stimme von Bataa, dem Fahrer und Ehemann. Auch am Lagerfeuer am großen See konnten wir den beiden unterm Sternenhimmel lauschen und dank Ute, die mit ihrer Chorerfahrung sowohl stimm- als auch textsicher war, das eine oder andere deutsche Lied beisteuern. Wobei bei uns anderen dieses eher aus dem Ruder geriet.
Ein stimmungsvoller und stimmvoller Höhepunkt wurde uns dann spontan in einem besonderen Jurtencamp zuteil. Das Camp wurde geleitet von Enkhtuya, die in Berlin und Zürich Kulturmanagement studiert hat und sich nun in einigen EU-geförderten Projekten engagiert, u. a. für die kulturelle Bewahrung und Förderung nomadischer Gesänge, die sich meist um die Anbetung und Wertschätzung der Natur drehen. Eine der Gesangs-Stipendiatinnen an der Universität in Ulaanbaatar machte in diesem Camp gerade einen Ferienjob und wurde von Tungaa überredet, für uns eine musikalische Darbietung zu geben. Was sie mit unglaublich großartiger Stimme auch tat, nicht ohne vorher die Jeans gegen die traditionelle Nomadenkleidung ausgetauscht zu haben. Wir lauschten tiefberührt und mit Gänsehaut und hätten zu gerne die Hommage oder besser Femmage an Mutter Natur ganz verstehen wollen. Eine Natur, die uns abends in tiefschwarzer Nacht unsere Jurte suchen ließ, uns dann nachts mit wildem Regen aufs Jurtendach weckte und frühmorgens mit wild dahinziehenden weißen Wolken beglückte.

Milchmädchenträume

Milch kann alles sein, außer vegan. Als uns eine Nomadin in ihre Jurte einlud, konnten wir hautnah miterleben, was aus Milch alles produziert wird, nicht nur zum Eigenverbrauch, sondern auch für den Verkauf. 
Natürlich ist da der leckere Yoghurt, mal flüssig, mal fester und der Aaruul, ein weißen Snack aus getrocknetem Quark, der in verschieden Formen immer beim Begrüßungsritual gereicht wird, meist zusammen mit dem Airag, der vergorenen Stutenmilch. Dann das unglaublich wohlschmeckende Chailmag, eine Butter, die eher an eine feste Cremespeise erinnert und mit Rosinen noch umwerfender mundet. Uns schmeckte besonders der mongolische Käse Byslag und Zöchii, ein Brotaufstrich der an Creme Fraiche erinnert. Und dann der Milchrahm Ürüm, der durch langes kochen und abkühlen entsteht und am besten mit selbst gebackenem Brot zum Frühstück gegessen wird, dick mit Zucker bestreut. Es ist DER Kindheitstraum einer jeden Mongolin, verriet mir Tungaas Tochter Hongoroo. Aus Milch werden eben Träume gemacht! Auch Milchmädchenträume.

Frauen-Empowerment Gazuur

Insgesamt 32 Frauen arbeiten inzwischen in der von unserer Reiseleiterin Tungaa mitgegründeten Frauen-Zirbegruppe Gazuur. Gleich am ersten Tag statteten wir einigen Mitarbeiterinnen einen Besuch in ihrem winzigen Raum ab, in dem sie jeden Tag feine Filzschuhe, Taschen und andere Accessoires herstellen. Ihre Produkte werden inzwischen nicht nur im bekannten mongolischen Kaschmirhaus Gobi verkauft, sondern auch auf deutschen Weihnachtsmärkten, da die hohe Qualität geschätzt wird. Die meist alleinerziehenden Frauen können dadurch ihren Lebensunterhalt und die Ausbildung der Kinder finanzieren und schaffen es gemeinschaftlich, noch mindestens einen Studienplatz für eine junge Frau mitzufinanzieren. Viel Geld kann man mit den Produkten allerdings nicht verdienen, denn die Konkurrenz mit den billigen Kaschmirprodukten aus China ist groß, deren Qualität jedoch weniger. Welche sich für das Zirbe-Projekt interessiert, kann hier noch mehr Infos bekommen – und auch für mehr Frauenstudienplätze spenden. »altan-buga.de

Die Farben der Mongolei bis zuletzt

Sollten wir wieder in die Mongolei reisen, dann werden wir alle unsere Farbkästen im Rucksack haben und mindestens eine Woche lang nur vor der Jurte sitzen und die Farben und das Licht einfangen. Das glänzende Braun der Pferde, das dunklere der Jaks, das schwarz-weiße der Schafe und Ziegen, die bunte Kleidung der Nomadinnen, das Blau der heiligen Fahnen über den Ovos und immer wieder alle Blautöne des weiten Himmels und der tiefen Seen. Wir haben schon jetzt Sehnsucht, auch nach dem himmlischen Schlafen in den Jurten.

Evelyn

(der nächste Termin im August 2020 für diese Mongolei-Frauen-Reise steht schon fest)

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