Darunter konnte ich mir nichts Genaues vorstellen, war aber doch sehr neugierig und im buddhistischen Kloster zu wohnen, fand ich eh außergewöhnlich. Ich hab mich also auf das so nahe gelegene Wanderabenteuer eingelassen…
Zur Einstimmung in die Wanderung bauen wir eine Schwelle aus umliegenden Zweigen und Blättern. Eine nach der anderen überschreitet die Schwelle mit dem Gedanken, alles hinter sich zu lassen und sich zu öffnen für das Neue und Ungewisse.
An unserem ersten Rastplatz spüre ich noch den Widerstand, mich auf die angeleitete Übung einzulassen. Die Atem- und Schüttelübung hat mich dennoch irgendwie locker gemacht und ich bin gespannt, nun mit der Gruppe eine Weile in Stille zu laufen. Nach einiger Zeit werden meine Gedanken ruhiger und ich nehme die wunderschöne Natur um mich herum immer mehr wahr. Das ist so wohltuend – über nichts nachdenken zu müssen, nicht zu reden oder zuzuhören, einfach nur laufen und fühlen.
Der erste Abschnitt endet in einem Talausgang, an dem wir an einen wunderschönen Bauernhof wie aus dem Bilderbuch gelangen. Ich bin überwältigt. So haben unsere Vorfahren Jahrhundertelang gelebt. Wie kurz ist die Zeit in der sich plötzlich alles veränderte und alles so schnell ging. Und wie gut ist das Gefühl aus dieser Schnelligkeit für ein paar Tage aussteigen zu können.
Ein kleiner Pfad vorbei an Eichen, mächtigen Buchen sich aufwärts schlengelnd durch dichtes Unterholz, blühender Ginster, urtümliche Farne und moosüberwachsene mächtige Findlinge säumen den Weg, der Duft nach frischer Erde und Kräutern liegt in der Luft– da tut sich der Wald auf und der Blick wird frei auf die Ruine einer mittelalterlichen Wallfahrtskapelle.
Noch von der letzten Steigung schwer atmend fühle ich die Lebendigkeit und Kraft meines Körpers. Ich nehme diesen Ort mit all meinen Sinnen wahr wie ich es selten erlebt habe. Ich höre wie die Vögel singen, die Bäume rauschen, das Wasser plätschert. An der Quelle erfrische ich mich und schaue mir diesen besonderen Platz in Ruhe an. Das Quellheiligtum war ein heiliger Ort für unsere Vorfahren. Ein alter keltischer Kultplatz wahrscheinlich, wird erzählt. Denn für die Kelten war alles beseelt – Bäume, Pflanzen, Tiere, Steine, Quellen. Für sie war alles heilig und alles gehörte zusammen. Also gehöre auch ich dazu, bin Teil der Natur, denke ich. Das fühlt sich irgendwie schön und geborgen an. Von diesem wunderbaren Platz ganz beschwingt geht es weiter über lichte Waldwege immer wieder mit wohltuenden Blicken in die Weite der Landschaft. Schöne Gespräche mit anderen Frauen und viel Lachen begleiten den Weg. Mitten im Wald steht ein uriges Haus, das bewirtschaftet wird – hier kehren wir ein. Im Innern erinnert mich alles an längst vergangene Kindheitstage, Ausflüge mit den Großeltern aufs Land oder so etwas. Die Wirtin strahlt eine wunderbare Herzlichkeit und Ruhe aus, kein anderer Gast ist zu sehen. Die Zeit scheint hier anders zu vergehen. Ich möchte gar nicht mehr weg, denke ich und schlürfe in Ruhe meinen Cappuccino.
Nadja R.
Reise: Meditatives Wandern im Odenwald mit Gudrun Glemann