Nachhaltiger und fairer Tourismus muss vehement im Blickfeld bleiben – bei uns allen!
Nachhaltiges und faires Reisen sollte trotz Corona-Krise nicht aus dem Blickfeld geraten. Tourismus muss neu und kleiner gedacht werden. Sowohl die Reisebranche, aber auch die Reisenden selbst sind herausgefordert, neue Wege zu gehen. Ökologische, nachhaltige und vor allem auch menschenwürdige Wege.
Unser Verband Forum anders reisen hat hierzu einige Forderungen aufgestellt, die uns alle angehen sollten:
Commitment – Tourisme for Future
- Qualität vor Volumen – die Industrialisierung des Tourismus braucht nachhaltige neue Regeln! Wir sind für weniger Reisen (aber dann richtig)
- Fairness vor Profit – nur mit partnerschaftlichem Wirtschaften erfüllt der Tourismus seinen selbstgesteckten Anspruch auf Völkerverständigung und eine Perspektive für bessere Lebensumstände durch lokale Wertschöpfung
- Klimaschutz als Verpflichtung – freiwillig war gestern. Die großen Player spielen mit Nachhaltigkeit und werden erst etwas tun, wenn sie müssen.
- Die Natur/Welt ist kein Spielplatz nicht alles, was möglich ist, ist auch zulässig. Der Erhalt von Tier- und Pflanzenwelt ist Verantwortung des Tourismus.
- Der soziale Fußabdruck des Reisens zählt – Bei Menschenrechten hört der Spaß des Reisens auf! Wir brauchen neue und konsequente ethische Grenzziehungen, um Menschenrechte und Frauen- und Kinderschutz im Tourismus zu gewährleisten.
Ökotourismus Sardinien / Sardaigne en Liberté
Besonders freuen wir uns nun über (frauen-)engagierte Verstärkung aus Sardinien. Mit ihrer Initiative für einen zukunftsweisenden und verantwortungsbewussten Tourismus in Europa hat unsere Reisepartnerin Christine Wolfangel vom Ökotourismus Sardinien / Sardaigne en Liberté ihre wichtigsten Ideen dazu zusammengefasst. Wie wir finden, bemerkenswert fundierte und engagierte Überlegungen, denen wir uns sehr gerne anschließen:
„Ideen für einen zukunftsweisenden und verantwortungsbewussten Tourismus in Europa“
Ausgangssituation
Der Tourismussektor wurde von der COVID-Krise hart getroffen und eine Erholung der Branche liegt noch in weiter Ferne. Die Europäische Union und das Europäische Parlament wollen deshalb eine Wiederbelebung des Tourismus unterstützen und mit entsprechenden Empfehlungen an die Akteur*innen insbesondere die Notwendigkeit eines nachhaltigen Tourismus unterstreichen. Gefördert werden demzufolge gezielt Unternehmen und Reiseziele, die sich in Richtung eines umwelt- und sozialverantwortlichen Tourismus und Reiseverkehrs bewegen. Um die Tourismusbranche, die etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Europa generiert und mehr als 23 Millionen Arbeitsplätze betrifft, zu fördern, sollen die umfangreich zur Verfügung gestellten europäischen Mittel künftig auch an ein nachhaltiges Engagement gebunden werden.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir – in diesem Fall alle Akteur*innen, die einen nachhaltigen, sozialen und solidarisch-fairen Tourismus vorantreiben möchten – mit konkreten Vorschlägen zur Debatte „Tourismus der Zukunft“ beitragen, die auf Initiative der Europäischen Kommission am 12. Oktober 2020 organisiert wird.
Angesichts der sozialen, ökologischen, demokratischen und wirtschaftlichen Herausforderungen erscheint es uns unerlässlich, Strategien zur Wiederbelebung des Tourismus auf europäischer Ebene zu koordinieren. Nur so kann sichergestellt werden, dass Themen wie Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz, sozialer Zusammenhalt und das Wohlbefinden jedes/r Einzelnen bei diesen Gesprächen und den daraus folgenden Entscheidungen auch tatsächlich an oberster Stelle stehen und für alle Länder der Union gleichermaßen gelten.
Unsere Ideen und Anregungen für einen zukunftsweisenden und verantwortungs-bewussten Tourismus in Europa lauten deshalb wie folgt:
1. Verkehr und Mobilität
– Unterstützung bei der Entwicklung CO2-armer Transportlösungen im Tourismus
– Insbesondere Aufbau CO2-armer Verkehrswege über lange und mittlere Entfernungen. Hier sollten Züge, insbesondere Nachtzüge, deutlich an Bedeutung gewinnen.
– Förderung von Projekten im Bereich öffentlicher Nahverkehr für Gemeinden in touristischen Gebieten (Regionalzüge, Shuttles, Busse, Fahrräder, Car-Sharing usw.).
– Förderung von Unternehmensgründungen im Bereich CO2-armer Transport-Dienstleistungen
– Zuschüsse für Reiseveranstalter*innen, die im Rahmen ihres Reiseangebots Lösungen im Bereich grüner und kollektiver Mobilität nutzen (z. B. Kauf von Fahrrädern, Shuttle-Dienste, E-Tankstellen usw.)
– 2021 wird das „Jahr des Schienenverkehrs in Europa“ sein: Unterstützung beim Erhalt alter und ehemaliger Schienennetze, die z.B. auch mit umweltfreundlichen Draisinen genutzt werden können.
– Förderung von Initiativen im Bereich CO2-Kompensation: Für entlegene Reiseziele/Inseln bleibt der Flugverkehr ein unverzichtbares kollektives Transportmittel. Dessen negative Folgen können im Moment ausschließlich durch Kompensationsmaßnahmen abgemildert werden. Aktivitäten zum Ausgleich des persönlichen territorialen CO2-Fußabdrucks durch das Pflanzen von Bäumen unterstützen außerdem Brandschutzmaßnahmen vor Ort und sorgen für Arbeitsplätze im Reiseland.
2. Nachhaltiger Tourismus
– Etablierung eines europaweit gültigen Umweltzeichens für nachhaltige Unterkünfte sowie Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten.
– Gezielte Unterstützung für den Aufbau nachhaltiger Tourismusangebote: Sanfter Tourismus, Wandern, Radfahren, Naturerlebnisse, umweltfreundliche An- und Abreise/Mobilität vor Ort etc.
– Förderung eines barrierefreien Tourismusangebots
– Steuererleichterungen für Betriebe, die ihr bestehendes Angebot zukünftig umweltfreundlich und nachhaltig gestalten wollen (Renovierung, Überarbeitung des Angebots etc.)
– Einführung eines Maßnahmenkatalogs mit entsprechenden Vorgaben, der eine transparente Darstellung des CO2-Fußabdrucks der gesamten Reise ermöglicht, d. h. Eine Klassifizierung hinsichtlich An-/Abreise/Mobilität vor Ort, Unterkunft, Aktivitäten sowie Verpflegung vornimmt.
– Durchführung und Veröffentlichung von Studien, die die ökologischen und sozialen Kosten aller Tourismussektoren oder Reisearten benennt, um damit überhaupt einen Vergleich ziehen zu können.
3. Soziale Verantwortung
– Einbeziehung der Reiseveranstalter in die soziale Verantwortung der touristischen Unternehmen im Reiseland.
– Förderung eines nicht saisonal begrenzten Tourismus – aufbauend auf den Bedürfnissen der Menschen vor Ort und bereits bestehenden Angeboten im Bereich Gastgewerbe – um europaweit eine nachhaltige Beschäftigungssituation aufzubauen und zu garantieren.
– Insbesondere auch die Unterstützung und Honorierung von Frauenprojekten und der Arbeit überdurchschnittlich vieler Frauen im Tourismussektor durch entsprechende Maßnahmen (Vertragssituation, Bezahlung, Kinderbetreuung etc.).
– Einführung von Indikatoren nicht nur für den CO2-Fußabdruck des Reisens, sondern auch für den Beitrag des Reisens zur Entwicklung der lokalen Wirtschaft.
– Einführung einer allgemein gültigen Verpflichtung zur Angabe der CO2-Emissionen für alle von Tourismusakteur*innen angebotenen touristischen Dienstleistungen.
– Einführung eines Monitoringprozesses bei Tourismusentwicklungsprojekten, der ökologische, territoriale und soziale Aspekte berücksichtigt.
– Bessere Kontrolle bei der Vergabe europäisch finanzierter Projekte sowie eine langfristige Überwachung und Analyse dieser Projekte nach deren Umsetzung.
– Vereinfachung der Zugangsmöglichkeiten zu europäischen Förderprojekten auch für kleine Anbieter und Betriebe und somit ein gleichberechtigter Zugang für alle zu den europäischen Finanzhilfen.
4. Solidarischer Tourismus
– Entwicklung eines integrativen Tourismus, der die Bedeutung und Verwendung lokaler Produkte und Dienstleistungen unterstreicht und damit die wirtschaftliche Situation und die Lebensqualität der Bewohner*innen vor Ort verbessert.
– Unterstützung von Projekten, die kurze Wege und den lokalen Verbrauch fördern (saisonale landwirtschaftliche Produkte, Besuch von Bauernhöfen, Workshops, Förderung von Handwerk, künstlerischer Tätigkeit, kulturellen Veranstaltungen, aber auch wissenschaftlichen Arbeiten etc.)
– Unterstützung von Entwicklungsprojekten, die nicht nur das touristische Angebot, sondern auch die Lebensqualität der Einwohner*innen berücksichtigen (Erhalt von Naturräumen, Ausbau von Angeboten, die Urlauber*innen und Einheimische gleichermaßen ansprechen, Förderung partizipatorischer, gemeinschaftlicher und kooperativer Projekte, die Einheimische und Urlauber*innen einbeziehen).
– Förderung von Bestrebungen bereits bestehender Betriebe, ihre Dienstleistungen weiterzuentwickeln, um auch außerhalb der Saison und abseits ausgetretener Pfade/gängiger Hot-Spot-Ziele tätig sein zu können.
5. Interkulturelle Begegnungen und Stärkung der europäischen Identität
– Stärkung aller bestehenden Projekte, die allen Menschen einen Zugang zu Reisen und Urlaub ermöglichen. Insbesondere Kinder und Jugendliche sollten mit entsprechenden Ferienprogrammen unterstützt werden.
– Förderung von Maßnahmen, die den Tourismus als Instrument zur Stärkung der europäischen Identität und zur Förderung eines friedlichen und demokratischen Zusammenlebens nutzen.
– Unterstützung von Initiativen und Betrieben im Bereich Sozialtourismus, um deren Infrastruktur weiter auszubauen, nachhaltige Urlaubsangebote zu integrieren und gleichzeitig deren Handlungsspielraum zu erhalten.
– Förderung von Programmen und Orten für den Austausch zwischen europäischen Bürgern*innen (interkulturelle Veranstaltungen, angeleitete und begleitete Aktivitäten, kulturelle Mediation, um die Begegnung zwischen verschiedenen europäischen Kulturen zu erleichtern etc.).
Dieses „Tourismus-Manifest“, Stand 09.10.2020, wie es an die deutsche Grünen-Abgeordnete im Europaparlament Anna Deparnay-Grunenberg für die Debatte am Montag, 12. Oktober 2020 anlässlich der “European Tourism Convention”, verschickt wurde – gerne zur Weiterverwendung und Veröffentlichung auf den eigenen Social Media Kanälen.
» Manifest NachhaltigerTourismus (pdf)
Unterstützt wird dieser Vorschlag bisher von:
– Les oiseaux de passage (Frankreich)
– Sardaigne en Liberté (Italien)
– CETR (Spanien)
– Anderswo (Deutschland)
– For Family Reisen (Deutschland)
– WomenFairTravel (Deutschland)
– ReNatour (Deutschland)
– Familien Reiseblog „Planet Hibbel“ (Deutschland)
– Ekitour (Frankreich)
– Chemin solidaires (Frankreich)