Trauerreise für Frauen auf dem Jakobsweg

WomenFairTravel-Gründerin Evelyn Bader schreibt über ihre Erfahrungen auf unserer ersten Trauerreise für Frauen auf dem Jakobsweg.

Warum überhaupt eine Trauerreise für Frauen? Vielleicht ist es das sprichwörtliche „sich wieder auf den Weg machen“. Der Impuls, irgendwann nach einem Verlust aufzubrechen, weiterzugehen, weiterzureisen. Vielleicht nach langer Zeit erstmals ohne den geliebten Menschen, dafür in einer Gruppe mit ähnlichen Beweggründen.

Es ist eine Zeit des Übergangs, die oft von dem Wunsch beseelt ist, ein wenig weniger zu trauern oder anders zu trauern, einen weiteren Abschied zu nehmen, Tränen laufen zu lassen, wann immer sie kommen wollen und den Schmerz zu spüren.

Und zugleich kann eine zarte Freude darüber entstehen, was wieder geht – auch und gerade mit anderen zusammen. Auf unserer ersten Trauerreise für Frauen war das bei vielen der Grund, die Reise zum Jakobsweg in einer Gruppe anzutreten. Und dabei gemeinsam zu erleben, was sein darf und kann trotz Trauer und Schmerz.

Trauerreise für Frauen - Brücke auf dem Jakobsweg

So kann eine Trauerreise für Frauen aussehen?

Tatsächlich hätte uns niemand geglaubt, dass wir eigentlich eine Trauerwandergruppe sind, als wir in einer Herberge beim Gitarrenspiel amerikanischer Pilger plötzlich unsere Wanderschuhe auszogen, um Rock & Roll zu tanzen. Selbst waren wir noch etwas verunsichert, ob das denn so in Ordnung geht.

Aber das Hier und Jetzt siegte. Dieses starke Gefühl der Lebendigkeit in diesem Moment wird wohl keine vergessen.

Jakobsmuscheln vom Strand in Spanien

 

Trauern auf dem Jakobsweg

Aus vielen Gründen ist der Jakobsweg besonders gut geeignet für eine Trauerreise. Wandern auf dem Pilgerweg ist von jeher dazu angelegt, innezuhalten, Altes loszulassen und andere Erfahrungen zu machen. Alle wissen das und das macht den „Camino“, wie er auch genannt wird, geradezu ideal für Trauernde: Es ist immer möglich, allein zu wandern und zugleich nie allein sein zu müssen. Denn Begegnungen gibt es viele.

Das „Buen Camino“, mit dem sich alle unterwegs begrüßen, oder das Wiedererkennen von unbekannten Weggefährten in den zahlreichen Cafés unterwegs sind gern genommene Gratisbeigaben.

Und so konnten wir das Alleinwandern erproben und doch auf Wunsch immer in Kontakt sein mit sympathischen und hilfreichen Menschen aus allen Ländern. Tatsächlich entpuppte sich der Weg geradezu als Mekka für alleinreisende Frauen.

Herausforderungen auf dem Camino

Nicht, dass der Camino nicht schon per se eine Herausforderung darstellte. Dios mío, no! Von Schnee über Hagel bis zu Dauerregen war alles auf dem Weg dabei. Ganz zu schweigen von der Anzahl der täglichen 18-20 Kilometer, die das Programm vorsah.

Aber auch immer wieder Sonne und Lächeln und „Buen Camino!“ und ein Wäschetrockner in jeder Herberge. Komfort-Pilgern kommt schon vor. Jedenfalls bei einer Frauen-Wandergruppe.

Alle Teilnehmerinnen auf dieser Trauerreise für Frauen waren noch nie mit einer Gruppe verreist, jeweils zuvor nur mit Partner oder in der Familie. Schon das stellte die erste große Herausforderung dar.

Wie wird sich frau in einer Gruppe fremder Menschen fühlen, die alle mit anderen Trauergründen unterwegs sind? Wird sich eine einsam fühlen, fremdeln, sich abgrenzen müssen oder sich ausgegrenzt fühlen?

Wie geht Trauern in einer Gruppe?

Fragen, die sich schon am 2. Tag erledigt hatten. Es war gut, in einer Gruppe zu sein, sich zu zeigen, sich mitzuteilen, gemeinsame Erfahrungen zu machen, das „Nein“ und das „Ja“ zu üben und immer wieder zu erfahren, dass Trauer eine Welle ist, die kommt und geht.

So wie wir auch gingen auf dem Camino und manche auch täglich 20 Kilometer. Und manche eben nur die Hälfte und das restliche Stück mit dem Taxi. Komfort-Pilgern darf sein. Auch das eine Erfahrung für die Gruppe: Nichts muss erduldet werden, frau darf es sich auch leichter machen und sich von Gepäck befreien. Dem inneren und dem äußeren…

Trauerreise für Frauen - Blick auf Santiago

Zuspruch und neue Freundschaften

Innerhalb der Gruppe wurden Veränderungen wahrgenommen und rückgemeldet. Jedes Loslassen und jede Herzens-Lichtblicke zauberten ein begeistertes Lächeln und Zuspruch auf die Gesichter der anderen. In der Trauer mit einer Gruppe zu reisen, war völlig anders als erwartet oder befürchtet. Rückblickend hat jede für sich einiges aus den Gesprächen und den Lebensentwürfen der anderen mitnehmen können.

Die Freude darüber spiegelte sich in ihren Gesichtern wider und auch im Lauftempo, das bei manchen zu einem fast unglaublichen Drive führte! Wir alle hören noch das „Klack-Klack“ der Stöcke, und das atemvolle Gespräch der beiden Frauen, die sich von Anfang an verbunden fühlten, wenn sie blitzartig an uns vorbeisprinteten. „Waren das etwa…?“ Ja, das waren sie wieder, unsere Rennmäuse, die sich auf jeden Fall noch öfters im Leben treffen werden. Wandernd selbstredend bzw. miteinanderredend.

Holzschild mit der Aufschrift Ohne Humor kein Eintritt

Inspiration von anderen Lebensgeschichten

Und erst die Faszination über den radikalen Schnitt einer Teilnehmerin: Sie hat beschlossen, ihr Leben nach dem Tod des Ehemannes total zu verändern und etwas wirklich Neues anzufangen. Sie verkauft das viel zu große gemeinsame Haus, in dem zu viele alte Erinnerungen stecken und hat sich bereits ein Wohnmobil angeschafft. Darin wird sie fortan leben und viel unterwegs sein.

Ziel: Reduktion auf das Wesentliche und in Bewegung sein, offen für neue Erfahrungen und Begegnungen und Lust darauf, neue Länder kennenzulernen. Wow! Sie hat Träume, die sie sich selbst verwirklicht!

Trauerreise für Frauen - Glücklich auf dem Pilgerweg

Trauerreise: Konzept aus eigener Erfahrung

Die Hamburgerin Judith Zaremba hat diese erfahrungsreiche Trauerreise auf dem Jakobsweg vor 10 Jahren konzipiert, um ihre eigenen guten Erfahrungen zu teilen. Nachdem ihre Mutter gestorben war, mit der sie drei Etappen des Jakobsweges zu Lebzeiten gelaufen war, fühlte sie das Bedürfnis, den gesamten Weg für ihre Mutter ganz zu beenden.

Trauerreiseleiterin Judith Zaremba

Die eigene Erfahrung, wie sehr der Camino bei der Trauer helfen kann, inspirierte sie zur Gründung von „Nureto“, ein Fantasiename für „Nuevos Retos“, angelehnt an neue Herausforderungen.  Mit nur einer Reise pro Jahr als Herzensangelegenheit leitet sie die letzte Etappe des Camino de Santiago, zusammen mit einer Trauerbegleiterin.

Die Wellen der Trauer als Etappen auf dem Weg

Als erfahrene Häsin was die unterschiedlichen Wellen der Trauer angeht und die diversen Gefühle, die sich zeigen wollen, hat Judith dafür auch immer mal bestimmte Etappen so organisiert, dass dafür Luft und Raum blieb, um diese vielfältige, teilweise widersprüchlichen Gefühle zu spüren und sie zuzulassen. En passant, aber deutlich in der Resonanz!

Da gab es beispielsweise die frühmorgendliche Nachtwanderung, bei der es nicht hell werden wollte und schon gar nicht trocken und kein Frühstücksrestaurant weit und breit in Sicht war und überhaupt… Da konnte die Wut und der Zorn, die unweigerlich auch zum Trauerprozess gehören, so richtig raus.

Es traf zwar Judith, die sich aber darüber freuen konnte, dass dieses Gefühl nun auch seinen Ort gefunden hatte, nämlich mitten im dunklen Wald! Und bald darauf fand sich auch das beste Frühstücksrestaurant ever. Mit Rührei und Bacon und Kuchen und frisch gepresstem Orangensaft.

Wut sei gepriesen. Alles muss raus, damit Neues rein kann. Darf´s auch ein bisschen mehr sein? „Si! Otro zumo de naranja por favor.“ Noch ein frischer Orangensaft bitte. Herrlich belebend!

Walk & Talk mit der Trauerbegleiterin

Jede von uns hatte in diesen Tagen auch Raum für einen Walk & Talk mit der Trauerbegleiterin Elke Küpers, die sich ganz dem jeweils individuellen Thema in der Trauer widmete. Erstaunliche Dinge kamen beim Walken hoch und konnten für die nächsten Lebens-Schritte bedacht werden.

Unser Reisegepäck fühlte sich am Ende der Trauerreise bei allen leichter an als zuvor, obwohl noch das eine oder andere Souvenir eingepackt werden musste und auch die leckere Tarta von Santiago ihren Weg heimwärts fand.

Tarta de Santiago

Gastfreundliche und entspannte Menschen allerorten

Überhaupt was wäre der Camino ohne all die gastfreundlichen und entspannten Menschen aus Galicien, die uns immer und überall freundlich empfangen und köstlichst bewirtet haben. Nie gab es einen Kaffee ohne ein gratis Stück Kuchen dazu, nie ein Glas Wein ohne ein Schälchen Oliven. Nie ein Problem, das sich nicht regeln ließ.

Ich für meinen Teil sage: Galicien, ich komme gerne wieder, auch ohne Trauer im Gepäck. Und wenn doch, so sei es eben.

Trauerreise für Frauen - Kaffee am Marktplatz

Mehr Infos zu den Trauerreisen für Frauen bei WomenFairTravel

Auf dem Jakobsweg in Spanien:
https://www.womenfairtravel.com/frauenreisen/bella-europa/spanien/trauer-wanderreise-auf-dem-jakobsweg

Im Westerwald:
https://www.womenfairtravel.com/frauenreisen/nah-tours/deutschland/eine-trauerreise-in-den-westerwald 

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